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Auszüge aus "de principiis", dem Früh- und Hauptwerk des Origenes,
nach der lateinischen Übersetzung von Rufinus. Der Titel des
nicht mehr erhaltenen griechischen Originales ist "peri
archon".
Die Auszüge sind entnommen aus: Herwig
Görgemanns/Heinrich Karpp: „Origenes - Vier Bücher von den
Prinzipien" - Texte zur Forschung, Band 24,
Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1976.
Die erste Zahlengruppe gibt Kapitel und Abschnitt in „De
principiis" an, die zweite Ziffer verweist auf die
Seitenzahl bei Görgemanns/Karpp,
Anmerkungen des Arbeitskreises
Origenes sind in blauer Farbe hinzugefügt |
princ II9,6-7 Seite 415
Präexistenz
In diesem Abschnitt benutzt Origenes die alttestamentarische
Geschichte von Esau und Jakob als Beispiel für ein
(scheinbar) ungerechtes Leben. Dort erschleicht sich Jakob
das Erstgeburtsrecht durch eine Täuschung. Der von der Jagt
erschöpft und hungrig zurückkehrende Esau, dem das
Erstgeburtsrecht zustand, erhält von Jacob ein Linsengericht
wenn er auf das Erstgeburtsrecht verzichtet.
Origenes schreibt dazu:
Ist etwa Ungerechtigkeit bei Gott? Das sei ferne!.... Wir
müssen nur annehmen, dass er (Jacob) auf Grund von
Verdiensten eines früheren Lebens ....dem Bruder vorgezogen
wurde.
und weiter verallgemeinernd:
princ II9,7 S. 417
Ich halte es für richtig, ihn [den Satz "ist etwa
Ungerechtigkeit bei Gott? Das sei ferne"] auch bei anderen
Geschöpfen anzuwenden; denn die Gerechtigkeit des Schöpfers
muss... in allem sichtbar werden.
Sie erscheint, meine
ich, erst dann, genügend deutlich, wenn man von jedem
himmlischen, irdischen oder unterirdischem Wesen sagt, es
habe in sich selbst [die] Ursachen für die Verschiedenheit
welche der körperlichen Geburt vorausgehen. |
princ I,5,3
S.203-205
(Zitat aus "peri archon" von
Hieronymus, das von Rufinus in seiner lateinischen
Übersetzung "de prinzipii" weggelassen wurde).
Hieronymus hat in der Schrift "gegen Johannes von Jerusalem"
Origenes mit Hinweisen zitiert, die diese
Textrekonstruktion ermöglichte.
Reinkarnation
Geisterfall
.......Die Engel und Throne und
Herrschaften, die Gewalten und Herrscher der Welt und der
Finsternis und „jeder Name, der genannt werden mag, nicht
allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen"
(vgl. Eph. l, 21) sind Seelen von solchen Körpern, die sie
entweder aus Verlangen oder zum Dienste angenommen haben. —
Alle körperlosen und unsichtbaren vernünftigen Geschöpfe
gleiten, wenn sie in Nachlässigkeit verfallen, allmählich
auf niedere Stufen herab und nehmen Körper an je nach der
Art der Orte, zu denen sie herabsinken: z. B. erst aus
Äther, dann aus Luft, und wenn sie in die Nähe der Erde
kommen, umgeben sie sich mit noch dichteren Körpern, um
schließlich an menschliches Fleisch gefesselt zu werden. —
Auf der Leiter Jakobs (vgl. Gen. 28, 12) steigen die
vernunftbegabten Geschöpfe allmählich bis zur untersten
Stufe herab, d. h. bis zu Fleisch und Blut. Es ist
unmöglich, daß einer mit einem Male vom hundertsten zum
ersten Rang herabstürzt; er gelangt vielmehr durch die
einzelnen Ränge wie auf den Stufen einer Leiter bis zum
untersten Rang.
Dabei wechselt er seinen Körper ebenso oft, wie er seinen
Wohnsitz beim Abstieg vom Himmel zur Erde wechselt. |
I,1,5-6
princ
S. 107-115Gott
5. Nachdem wir also, so gut wir konnten,
jegliche Auffassung widerlegt haben, die etwas Körperliches
in die Vorstellung von Gott hineinbringen will, stellen wir
nun den Satz auf, dass Gott in Wahrheit unbegreiflich und
unermesslich ist . Wenn wir uns nämlich überhaupt eine
Vorstellung und einen Begriff von Gott machen können, so
müssen wir notwendig annehmen, dass Gott in vieler Hinsicht
weit erhabener ist als unsere Vorstellung. Es ist so, wie
wenn wir mit einem Menschen zu tun hätten, der kaum einen
Lichtfunken oder das Licht der kleinsten Laterne anzuschauen
vermag, und ihn, der mit der geringen Schärfe seiner Augen
nicht mehr Licht fassen kann als wir sagten, über die
Helligkeit und den Glanz der Sonne belehren wollten. Müssten
wir ihm nicht sagen: der Glanz der Sonne ist unsäglich und
unermesslich größer und erhabener als alles Licht, das du
siehst.? So steht es auch mit unserer Vernunft, wenn sie in
den Kerker von Fleisch und Blut eingeschlossen und
entsprechend ihrer Teilhabe an diesem Stoff stumpf und träge
geworden ist: sie mag zwar im Vergleich zur körperlichen
Natur bei weitem den Vorrang verdienen; wenn sie aber zum
Unkörperlichen emporstrebt und es zu schauen trachtet, dann
hat sie kaum die Kraft eines Funkens oder einer Laterne. Was
ist aber unter allen geistigen, d. h. unkörperlichen Dingen
so erhaben über alles, so unsagbar und unermesslich
überragend wie Gott? Seine Natur zu schauen reicht die
Schärfe einer menschlichen Vernunft nicht aus, mag sie auch
noch so rein und klar sein.
6. Aber es scheint mir angebracht, um den Sachverhalt
deutlicher vor Augen zu stellen, noch ein anderes Gleichnis
zu gebrauchen. Unsere Augen können zunächst die Natur des
Lichtes selbst, d. h. die Substanz der Sonne, nicht
anschauen; wir können aber ihren Glanz oder die Strahlen
betrachten, die etwa durch Fenster oder irgendwelche kleinen
Lichtöffnungen fallen, und daraus schließen, wie groß die
glühende Masse sei, der das körperliche Licht entströmt. So
sind auch die Werke der göttlichen Vorsehung und der
kunstvolle Bau dieses Alls gleichsam Strahlen von Gottes
Natur im Vergleich zu seiner Substanz und Natur selbst.
Unsere Vernunft erkennt also, da sie Gott nicht an sich, so
wie er wirklich ist, betrachten kann, aus der Pracht seiner
Werke und der Schönheit seiner Geschöpfe den Vater des Alls.
Gott ist also nicht als ein Körper oder
als in einem Körper wohnend anzusehen, sondern als einfache
geistige Natur, die keinerlei Beifügung in sich zulässt;
sonst müsste man etwas Größeres und etwas Geringeres in ihm
annehmen, so aber ist er in jeder Hinsicht eine Einheit und
sozusagen eine Einsheit, sowie Vernunft und die Quelle, aus
der jegliche geistige Natur, jede Vernunft, ihren Ursprung
hat. Vernunft braucht aber, um sich zu bewegen und zu
wirken, keinen körperlichen Ort und keine sinnlich
wahrnehmbare Ausdehnung, keine körperliche Gestalt oder
Farbe noch sonst irgend etwas von den Eigenschaften des
Körpers und der Materie. Darum kann jene Natur, die einfach
und ganz Vernunft ist, in ihrer Bewegung und ihrem Wirken
keinen Aufschub und keine Verzögerung erleiden, damit nicht
durch eine solche Beifügung die Einfachheit der göttlichen
Natur (auch nur) in gewissem Maße eingeschränkt und
behindert erscheine: denn es soll nicht das, was der
Ursprung aller Dinge ist, sich als zusammengesetzt und
mannigfaltig erweisen, und es soll nicht vieles statt eines
sein, was fern von jeder körperlichen Beimischung sozusagen
einzig und allein in seiner Wesensart als Gottheit bestehen
muss.
Dass aber die Vernunft keinen Ort braucht, um sich ihrer
Natur gemäß zu bewegen, geht auch aus der Betrachtung
unserer eigenen Vernunft hervor. Wenn sie nämlich ihr volles
Maß besitzt und ihr nicht aus irgendeiner Ursache eine
Abstumpfung widerfährt, so wird sie in den ihr eigenen
Bewegungen durch keinen Unterschied der Orte gehemmt; und
andererseits erfährt sie auch keine Vermehrung ihrer
Beweglichkeit durch die besonderen Eigenschaften eines
Ortes. Dagegen könnte einer beispielsweise einwenden: Wenn
man zur See fährt und von den Meereswogen umhergeworfen
wird, dann ist die Vernunft bedeutend weniger rege als sonst
auf dem Land. Aber es ist anzunehmen, dass man dies nicht
durch die Verschiedenheit der Örtlichkeiten erleidet,
sondern durch die heftige, regellose Bewegung des Leibes,
dem die Vernunft beigesellt oder eingepflanzt ist. Für den
menschlichen Körper scheint nämlich der Aufenthalt auf dem
Meere gleichsam naturwidrig zu sein, und darum empfängt er
gewissermaßen wegen einer Art innerer Unausgeglichenheit die
Antriebe der Vernunft ungeordnet und regellos und tut seinen
Dienst bei der Ausführung der Impulse, die vom Denken
kommen, nur in recht stumpfer Weise. Genauso ist es, wenn
man an Land vom Fieber geschüttelt wird: dabei ist es klar,
dass, wenn die Vernunft wegen der Gewalt des Fiebers nur in
vermindertem Maß ihre Funktion ausübt, nicht der Ort als
Ursache anzusehen ist, sondern die Krankheit des Körpers,
durch die der Körper gestört und verwirrt ist, so dass er
der Vernunft nicht die gewöhnlichen Dienste auf den
bekannten und natürlichen Wegen leistet; denn wir Menschen
sind ja Lebewesen, die zusammengesetzt sind aus Leib und
Seele — nur so konnten wir ja auf der Erde wohnen. Gott
aber, der Ursprung aller Dinge, darf nicht für
zusammengesetzt gehalten werden; denn sonst würde sich
ergeben, dass ursprünglicher als der Ursprung selbst die
Grundbestandteile sind, aus denen alles besteht, was auch
immer als zusammengesetzt bezeichnet wird .
Aber die Vernunft bedarf auch nicht körperlicher Ausdehnung,
um zu handeln oder sich zu bewegen, wie z. B. das Auge, das
beim Anschauen von großen Körpern sich erweitert, zum
Betrachten von kleinen und geringen aber sich zusammenzieht
und verengt. Freilich bedarf die Vernunft einer geistigen
Ausdehnung, da sie nicht körperlich, sondern geistig wächst.
Denn sie nimmt nicht durch körperliches Wachstum
gleichzeitig mit dem Körper bis zum 20. oder 30. Lebensjahr
zu, sondern durch Unterricht und Übung wird die Schärfe des
Verstandes ausgebildet und die Anlage zum Denken geweckt,
und ihre geistige Fassungskraft vergrößert sich nicht durch
körperliches Wachstum, sondern wird durch die Übung im
Unterricht ausgebildet. Diese (Ausbildung) kann die Vernunft
aus dem Grunde nicht sogleich in der Kindheit oder von
Geburt an erhalten, weil das Gefüge der Glieder, deren sie
sich gleichsam als Werkzeuge zu ihrer Betätigung bedient,
dann noch zart und schwach ist, und weil es weder die Mühe
einer Tätigkeit ertragen kann noch die Fähigkeit
aufzubringen vermag, eine Unterweisung anzunehmen.
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I,7, 4
princ
S. 240/241
Präexistenz
Was nun den Menschen betrifft: wie kann die Seele dessen mit
dem Körper zusammen gebildet sein, der „im Mutterleibe
seinen Bruder zu Fall brachte" (vgl. Gen. 25, 22—26),
nämlich Jakob? Oder wie kann die Seele dessen mit dem Körper
zusammen gebildet sein, der noch „im Mutterleib vom heiligen
Geist erfüllt wurde"? Ich meine Johannes, der „im Leibe
seiner Mutter hüpfte" und vor Jubel aufsprang, als der Gruß
Mariens zum Ohr seiner Mutter Elisabeth drang (vgl. Luk. l,
41.44). Wie kann ferner die Seele dessen zusammen mit dem
Körper gebildet sein, von dem es heißt, „ehe er im
Mutterleibe gebildet ward, sei er Gott bekannt gewesen", und
der, „ehe er aus dem Schöße hervorging, von ihm geheiligt
wurde" (vgl. Jer. l, 5)? Es darf ja nicht scheinen, als
erfülle Gott irgendwelche Menschen mit dem heiligen Geist
ohne Urteil und nicht nach ihrem Verdienst, und als heilige
er sie ohne Verdienst. Wie würden wir denn dem Wort
ausweichen können (Rom. 9, 14; 2, 11): „Gibt es denn
Ungerechtigkeit bei Gott? Das sei ferne!" und „Gibt es ein
Ansehen der Person vor Gott?" Das wäre nämlich die Folge
einer Lehre, nach der die Seelen zusammen mit den Körpern
ins Dasein treten. |
II, 3, 3
princ
S. 307-311
Lösen von der Materie nach dem irdischen Tod;
Erneutes Entstehen von Erdenkörpern
Aber da sie (die eingekörperten Wesen) nicht sofort jedes
körperlichen Kleides ledig werden konnten, ist anzunehmen,
dass sie erst in feineren und reineren Körpern weilten, die
nicht länger vom Tode besiegt und vom Stachel des Todes
verletzt werden können, und dass so endlich die materielle
Natur allmählich verschwindet, der Tod ins Ende verschlungen
und vernichtet wird und sein Stachel völlig abgestumpft wird
durch die göttliche Gnade, wenn die Seele für sie
aufnahmefähig geworden ist und sich die Unvergänglichkeit
und Unsterblichkeit verdient hat. Dann können mit Recht alle
sagen: „Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?
Aber der Stachel des Todes ist die Sünde." Wenn dies
einleuchtend ist, so werden wir vielleicht dereinst ohne
Körper weiterleben. Wenn aber der, der Christus vollkommen
unterworfen ist (vgl. l Kor. 15,27—28), als körperlos
anzusehen ist, und wenn alle Christus unterworfen werden
sollen, so werden auch wir ohne Körper sein, wenn wir ihm
vollkommen unterworfen sind. Wenn ferner das, was Christus
unterworfen ist, am Ende auch Gott unterworfen wird, so
werden alle die Körper ablegen, und ich nehme an, dass zu
diesem Zeitpunkt eine Auflösung der körperlichen Natur ins
Nichtsein erfolgen wird. Sie wird ein zweites Mal ins Dasein
treten, wenn wieder Vernunftwesen (von der Einheit mit Gott)
herabsteigen. |
II, 6, 5-6
princ
S. 367-371Thema: Die Natur
Christi
5. Vielleicht findet jemand Schwierigkeiten darin, dass, wie
wir oben gezeigt haben, in Christus eine vernünftige Seele
ist, und dass die Natur einer solchen Seele, wie wir bei
unseren Erörterungen immer wieder aufgewiesen haben, sowohl
zum Guten wie zum Bösen fähig ist. Diese Schwierigkeit lässt
sich folgendermaßen auflösen. Es ist nicht zu bezweifeln,
dass die Natur jener Seele dieselbe war wie die aller Seelen;
sonst könnte man sie nicht „Seele" nennen, wenn sie nicht in
Wahrheit eine Seele war. Da nun allen die Fähigkeit zukommt,
zwischen Gut und Böse zu wählen, hat diese Seele Christi die
„Liebe zur Gerechtigkeit" (vgl. PS. 44 /45/, 8) gewählt,
derart dass sie entsprechend der Größe der Liebe unwandelbar
und untrennbar an ihm hing; und so schloss die Festigkeit des
Entschlusses, die überwältigende Größe der Zuneigung und die
unauslöschliche Wärme der Liebe jeden Gedanken an Umkehr und
Veränderung aus. Was ursprünglich von freier Entscheidung
abhing, ist durch die Wirkung langer Gewohnheit jetzt zur
Natur geworden. So muss man annehmen, dass in Christus zwar
eine menschliche Vernunftseele war, dass sie aber keinen
Gedanken an Sünde und keine Möglichkeit dazu hatte.
6. Um die Sache noch eingehender zu erklären, scheint es
angebracht, einen Vergleich zu gebrauchen, obschon in dieser
schwierigen Materie auch passende Beispiele nicht leicht zu
finden sind. Sprechen wir also mit allem Vorbehalt: Das
Metall Eisen kann Kälte und Wärme aufnehmen. Angenommen, ein
Eisenbarren liege dauernd im Feuer, nehme mit all seinen
Poren das Feuer auf und werde ganz zu Feuer — wenn von
diesem Barren das Feuer nicht weicht und er nicht vom Feuer,
werden wir dann von diesem Ding, das von Natur ein
Eisenbarren ist, aber im Feuer liegt und unaufhörlich glüht,
etwa sagen können, es könne irgendwann Kälte in sich
aufnehmen? Nein, es ist richtiger zu sagen, es sei ganz
Feuer geworden, wie wir es in der (Schmiede-) Esse oft
sehen; denn man erkennt von ihm nichts anderes als Feuer,
und wenn man es anzufassen versucht, spürt man nicht die
Wirkung des Eisens, sondern die des Feuers. Ebenso ist auch
jene Seele, die sich stets, wie das Eisen im Feuer, im
Logos, in der Weisheit, in Gott befindet, ist alles, was sie
tut, was sie empfindet, was sie erkennt, Gott. Darum kann
man sie nicht als veränderlich und wandelbar bezeichnen; sie
besitzt Unveränderlichkeit, indem sie von der Vereinigung
mit dem Wort Gottes unaufhörlich durchglüht ist. Etwas von
der Wärme des Wortes Gottes, so muss man annehmen, ist zu
allen Heiligen gedrungen; in dieser Seele aber hat sich, wie
wir glauben, das göttliche Feuer selbst wesenhaft
niedergelassen, und von hier ist ein Teil der Wärme zu den
anderen gedrungen. Wenn es ferner heißt (Ps. 44 [45], 8):
„Gott, dein Gott, hat dich gesalbt mit Freudenöl mehr denn
deine Gesellen", so zeigt das, daß diese Seele in anderer
Weise mit „Freudenöl", d. h. mit dem Wort und der Weisheit
Gottes, gesalbt wurde als ihre „Gesellen", d. h. die
heiligen Propheten und Apostel. Von jenen heißt es, sie
seien „im Duft seiner Salben gelaufen" (Höh. L l, 4); diese
Seele aber war ein Gefäß des Salböls selbst, an dessen Duft
die Würdigen Anteil empfingen und so Propheten und Apostel
wurden. Wie man also den Duft des Salböls von seiner
Substanz unterscheiden muss, so auch Christus von denen, die
an ihm Anteil haben. Und wie das Gefäß, das die Substanz des
Salböls enthält, auf keinen Fall einen schlechten Geruch
annehmen kann, während die, die an diesem Geruch teilhaben,
wenn sie sich von seinem Duft entfernen, einen üblen Geruch
von außen annehmen können: ebenso konnte Christus, wie das
Gefäß, das die Substanz des Salböls enthält, unmöglich den
entgegengesetzten Geruch in sich aufnehmen, während bei
denen, die an ihm teilhaben, die Teilhabe und
Aufnahmefähigkeit sich nach ihrer Nähe zu dem Gefäß bemisst. |
II, 8, 3
princ
S. 395Esau,
Präexistenz
Wenn wir über die Seele des Esau nachforschen, so können wir
feststellen, dass er wegen früherer Sünden zu einem
tieferstehenden Leben verurteilt wurde (vgl. Römer, 9,13).
(Übersetzung des Hieronymus.) |
II,9,1
princ
S.399-403
Beginn der Welt
Macht Gottes
1. Doch jetzt wollen wir zur Abfolge der geplanten
Erörterung zurückkehren und den Beginn der Schöpfung
betrachten, soweit die Vernunft ein solches Beginnen des
Schöpfergottes denken kann. Bei (diesem) gedachten Beginn
rief Gott durch seinen Willen eine solche Zahl von
Vernunftwesen ins Dasein, wie er durchwalten konnte; denn
man muss auch Gottes Macht für begrenzt erklären und nicht
unter dem Vorwand frommer Scheu ihr die Umgrenzung nehmen.
Denn wenn Gottes Macht unbegrenzt ist, so folgt, dass sie
sich nicht einmal selbst denken kann; denn das Unbegrenzte
ist seinem Wesen nach nicht unfassbar. Ferner hat Gott auch
nach der Aussage der Schrift alles geschaffen „mit Zahl und
Maß" (vgl. Weish. 11, 20 [21]). Die „Zahl" wird man aus
folgendem Grunde richtig auf die Vernunftwesen oder
Intelligenzen beziehen: Diese sollen so viele sein, dass
Gottes Vorsehung für sie sorgen, sie regieren und
zusammenhalten kann. Das „Maß" dagegen wird man folgerichtig
auf die körperliche Materie beziehen, denn diese wurde, wie
man annehmen muss, in einer Menge von Gott geschaffen, von
der er wusste, dass sie ihm zur Einrichtung der Welt
ausreichen würde.
Dies also sind die Dinge, von denen man annehmen muss, dass
sie am Anfang, also vor allem anderen, von Gott geschaffen
wurden. Das ist, wie wir meinen, auch mit jenem Anfang
gemeint, den Mose etwas verdeckt einführt, wenn er sagt
(Gen. l, 1): „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde." Denn es
ist sicher, dass das nicht vom „Firmament" und vom
„Trockenen" gesagt wird, sondern von jenem Himmel und jener
Erde, von denen unser Himmel und unsere Erde nachträglich
ihre Namen entliehen haben.
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II,9,2
princ
S403-405Böses ist Fehlen des
Guten
Verschiedenheit in der Welt ist verursacht durch
präexistente Gründe
Diese Vernunftwesen, die, wie vorher
gesagt, am Anfang geschaffen wurden, wurden geschaffen,
nachdem sie vorher nicht waren; und sie erhielten eben
dadurch, dass sie nicht waren und dann zu sein begannen,
notwendigerweise ein wandelbares und veränderliches Sein;
denn alles, was ihre Substanz an Kraft enthielt, lag nicht
von Natur darin, sondern war durch die Güte des Schöpfers
bewirkt. (Die Eigenschaft), dass sie sind, ist also nicht
ihnen eigen und nicht ewig, sondern eine Gabe Gottes. Denn
sie existierte nicht immer, und alles was gegeben ist, kann
wieder genommen werden oder verschwinden. Die Ursache des
Verschwindens aber wird darin liegen, dass die Bewegung der
Geister nicht in richtiger und lobenswerter Weise erfolgt.
Denn der Schöpfer gewährte den Intelligenzen, die er schuf,
willensbestimmte, freie Bewegungen, damit in ihnen ein ihnen
eigenes Gut entstehe, da sie es mit ihrem eigenen Willen
bewahrten. Doch Trägheit, Überdruss an der Mühe, das Gute zu
bewahren, und Abwendung und Nachlässigkeit gegenüber dem
Besseren gaben den Anstoß zur Entfernung vom Guten. Vom
Guten abzulassen bedeutet nun nichts anderes als ins
Schlechte zu geraten. Denn es ist sicher, dass das Schlechte
im Fehlen des Guten besteht. So kommt es, dass man in dem
gleichen Maße in Schlechtigkeit gerät, wie man sich vom
Guten entfernt. In dieser Weise wurde jede Intelligenz, je
nach ihren Bewegungen, wenn sie das Gute mehr oder weniger
vernachlässigte, zum Gegenteil des Guten, also zum
Schlechten hingezogen. Es scheint, dass hier der Keim, die
Ursache liegt, die der Schöpfer des Alls zum Anlass nahm, um
entsprechend der Verschiedenheit der Intelligenzen, d. h.
der Vernunftgeschöpfe — einer Verschiedenheit, deren
Entstehung man den oben angeführten Gründen zuschreiben
muss, — eine mannigfache und vielfältige Welt zu
schaffen....
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II, 9, 5-8
princ
S. 411, 415-419Gerechtigkeit im Menschenschicksal;
5......Wenn diese große Mannigfaltigkeit, diese Verschiedenheit der
Umstände der Geburt, wobei die Fähigkeit zum freien
Entschluss ja keine Rolle spielt - denn niemand kann selbst
wählen, wo, bei welchen Menschen und in welcher Stellung er
geboren wird —, wenn also, so sagen sie, dies nicht von
einer Wesensverschiedenheit der Seelen bewirkt wird,
dergestalt, dass eine im Wesen schlechte Seele für ein
schlechtes Volk bestimmt wird, eine gute für ein gutes: was
bleibt dann übrig, als anzunehmen, es ginge dabei regellos
und zufällig zu? Wollte man das annehmen, so könnte man
nicht mehr glauben, dass die Welt von Gott geschaffen ist und
von seiner Vorsehung gelenkt wird, und weiterhin würde man
nicht erwarten können, dass Gott die Taten eines jeden
richten wird.. . .
8. Es steht außer Zweifel, dass dereinst am Tage des
Gerichtes die Guten von den Bösen, die Gerechten von den
Ungerechten getrennt werden, und ein jeder durch Gottes
gerechte Entscheidung an den Platz verwiesen wird, den er
verdient hat; und das werden wir, so Gott will, im folgenden
zeigen. Aber etwas Entsprechendes, meine ich, ist auch
früher schon geschehen. Denn man muss annehmen, dass Gott
alles und jederzeit nach gerechter Entscheidung tut und
anordnet. Auch wenn der Apostel lehrt (2 Tim. 2,20—21): „In
einem großen Hause sind nicht allein goldene und silberne
Gefäße, sondern auch hölzerne und irdene, und etliche zu
Ehren, etliche aber zu Unehren", und wenn er hinzufügt: „So
jemand sich reinigt, der wird ein geheiligtes Gefäß sein zu
Ehren, dem Hausherrn bräuchlich und zu allem guten Werk
bereitet", so will er offenbar dartun, dass einer, der sich
in diesem Leben reinigt, zu allem guten Werk bereitet sein
wird im zukünftigen; wer sich aber nicht reinigt, wird wegen
der Menge seines Schmutzes ein Gefäß zu Unehren sein, d. h.
ein unwürdiges. Daher ist es möglich zu denken, dass es auch
vorher schon vernunftbegabte Gefäße gab, die mehr oder
weniger gereinigt waren, d. h. die sich selbst gereinigt
hatten oder nicht, und dass auf Grund davon ein jedes Gefäß
nach dem Maß seiner Reinheit oder Unreinheit den Ort, das
Land oder die Stellung erhalten hat, in der es geboren
werden und etwas in dieser Welt leisten soll; Gott regelt
all das bis ins kleinste mit der Kraft seiner Weisheit und
entscheidet es mit der Macht seines gerechten Urteils, und
so hat er alles kraft einer vollkommen gerechten Vergeltung
geordnet, (wobei berücksichtigt ist,) welche Hilfe oder
welche Fürsorge ein jeder auf Grund seines Verdienstes
braucht. Hierin wird endlich das volle Prinzip der
Gerechtigkeit deutlich: die Ungleichheit in der Sache
bedeutet Gleichheit in der Vergeltung der Verdienste. Wie es
sich freilich mit diesen Verdiensten in allen Einzelfällen
verhält, das erkennt er allein nach der Wahrheit und in
letzter Klarheit, zusammen mit dem eingeborenen Wort und
seiner Weisheit und seinem heiligen Geiste.
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II,10, 6; 8
princ
S. 433-439;Schicksal als
"Heilmittel"
6. Noch vieles andere gibt es, das uns verborgen ist und das
nur der weiß, der der Arzt unserer Seelen ist. So brauchen
wir für die Gesundheit des Körpers gegen die Schäden, die
wir durch Nahrung und Trank angesammelt haben, gelegentlich
eine Behandlung mit einem besonders bitteren oder scharfen
Mittel; und manchmal, wenn die Art des Schadens das
erfordert, ist die Härte des Eisens, die Bitterkeit des
Schneidens nötig; und wenn die Art der Krankheit noch
schlimmer ist, muss am Ende gar das Feuer den Schaden
ausbrennen, den man sich zugezogen hat. Noch viel eher ist
da bei unserem göttlichen Arzt anzunehmen, dass er, um die
Schäden unserer Seele zu beseitigen, die sie aus allen
möglichen Sünden und Schandtaten angesammelt hat,
dergleichen schmerzhafte Behandlungsweisen anwendet, und am
Ende auch die Feuerstrafe verhängt über die, die die
Gesundheit der Seele verloren haben.
Bildhafte Ausdrücke dafür kommen auch in den heiligen
Schriften vor. So droht Gottes Wort im Deuteronomium den
Sündern an (vgl. Deut. 28, 22.28.29), sie würden bestraft
„mit Fieber und Kälte und Gelbsucht" und gemartert „von
Schwäche der Augen, Verrückung des Verstandes, Schlagfluß,
Blindheit und Nierenkrankheit". Und wenn man in Ruhe aus der
ganzen Schrift alle Erwähnungen von Gebrechen sammelt, alle
scheinbaren Nennungen körperlicher Krankheiten, die bei
Drohungen gegen die Sünder vorkommen, so wird man finden,
dass damit in übertragenem Sinne entweder Mängel oder Strafen
der Seele bezeichnet werden. Wir müssen aber wissen, dass
ebenso wie die Ärzte bei den Kranken Mittel anwenden, um
durch die Behandlung die Gesundheit wiederherzustellen, so
Gott denen gegenüber handelt, die gestürzt und in Sünden
gefallen sind. Ein Hinweis darauf ist, dass durch den
Propheten Jeremia befohlen wird(Jer.32 [25], 15-16.27-29),
„der Becher des Zornes Gottes solle ausgeschenkt werden
allen Völkern", dass sie „trinken und von Sinnen werden und
speien". Dabei sagt er drohend: wer nicht trinken wolle, der
werde nicht gereinigt werden. Daraus ergibt sich, dass das
Wüten von Gottes Rache zur Reinigung der Seelen dienlich
ist. Dass auch jene Strafe, von der es heißt, sie werde mit
dem Feuer vollzogen, als zum Nutzen (des Menschen) dienlich
verstanden wird, lehrt Jesaja, der über Israel so spricht (Jes.
4,4): „Abwaschen wird der Herr den Unflat der Söhne und
Töchter Zions und die Blutschulden vertreiben aus ihrer
Mitte durch den Geist des Gerichts und den Geist des
Brandes." Von den Chaldäern aber sagt er (Jes. 47,14-15): „Du
hast Feuerkohlen, setze dich zu ihnen, sie werden dir
helfen"; und anderswo sagt er (Jes. 66,16-17 ?): „Der Herr
wird sie heiligen in brennendem Feuer", und beim Propheten
Maleachi heißt es (Mal. 3, 3): „Der Herr wird sitzen und wie
Gold und Silber sein Volk schmelzen, er wird die Söhne Juda
schmelzen und läutern und (wieder) gießen, wenn sie
geläutert sind."
..........
8. Ferner: die „Finsternis draußen" (vgl. Matth. 8, 12 u.
ö.) bedeutet, wie ich meine, nicht so sehr eine Art dunkler,
lichtloser Luft, sondern sie bezieht sich auf die, die in
die tiefe Finsternis der Unwissenheit versunken und ohne
alles Licht der Vernunft und des Verstandes sind. Außerdem
ist zu bedenken, ob das Wort nicht auch noch bedeutet, dass
ebenso wie die Heiligen ihre Leiber, mit denen sie heilig
und rein in der Wohnstätte dieses Lebens geweilt haben, nach
der Auferstehung glänzend und herrlich wiedererhalten
werden, so auch die Gottlosen, die in diesem Leben die
Finsternis des Irrtums und die Nacht der Unwissenheit
geliebt haben, nach der Auferstehung mit dunklen, schwarzen
Leibern bekleidet werden, so dass eben die Finsternis der
Unwissenheit, die in diesem Leben ihren Geist innerlich
beherrscht hat, in der Zukunft in der äußeren leiblichen
Bekleidung sichtbar wird. Es sei denn, man muss den jetzigen
dichten und irdischen Körper als „Dunkelheit und Finsternis"
bezeichnen; und wer nach dem Ende dieser Welt in eine andere
hinübergehen muss, der werde mit diesem Körper aufs neue den
Anfang einer Geburt machen.
In ähnlicher Weise muss man auch das „Gefängnis" (vgl. l
Petr. 3, 19) verstehen.
Doch mögen diese Ausführungen an der gegenwärtigen Stelle
genügen, die wir jetzt einstweilen in aller Kürze
vorgetragen haben, um die Ordnung der Darstellung
einzuhalten.
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III, 1,13
princ
S. 507-509Der
Schöpfer als Arzt;
Heilung nicht nur für die Zeit des Erdenlebens
13. Wer also sich selbst überlassen wird, der wird auf Grund
einer göttlichen Entscheidung sich selbst überlassen; und
wenn Gott gegen einige Sünder langmütig ist, so ist er das
nicht ohne vernünftigen Grund, sondern weil es ihnen
zuträglich ist in Anbetracht der Unsterblichkeit der Seele
und der Unendlichkeit der Zeit, wenn ihnen nicht rasch zur
Heilung verhelfen wird, sondern wenn sie langsam zu ihr
geführt werden, nachdem sie viel Übel erfahren haben. Auch
Ärzte, die jemanden (eigentlich) rascher heilen könnten,
aber vermuten, dass ein verborgenes Gift im Körper steckt,
bewirken (zunächst) das Gegenteil von Heilung, und das tun
sie (gerade), weil sie mit größerer Sicherheit heilen
wollen: sie glauben, es sei besser, jemand eine Zeitlang im
Zustand der Entzündung und der Krankheit zu halten, damit er
um so zuverlässiger die Gesundheit wiedererlangt, als dass er
scheinbar schneller zu Kräften kommt, später aber einen
Rückfall hat und die raschere Heilung sich als vorübergehend
erweist. In derselben Weise handelt auch Gott, der die
Geheimnisse des Herzens kennt (vgl. Luk. 16,15) und das
Zukünftige voraussieht: in seiner Langmütigkeit lässt er den
Dingen ihren Lauf, ja erzieht sogar durch äußere Einflüsse
das verborgene Übel hervor, damit der Mensch gereinigt wird,
der durch Nachlässigkeit die Samen der Sünde in sich
aufgenommen hat; er soll sie, wenn sie zum Vorschein kommen,
ausspeien, und wenn er dabei auch in noch größere Not gerät,
so kann er doch später, nach der Reinigungskur, die auf das
Übel folgt, seine ursprüngliche gesunde Konstitution
wiedererlangen. Denn Gott lenkt die Seelen nicht im Hinblick
auf die, sagen wir, fünfzig Jahre des irdischen Lebens,
sondern auf die unendliche Ewigkeit; denn er hat die
geistige Substanz unvergänglich gemacht und ihm selbst
verwandt, und die vernünftige Seele ist nicht von der
Heilung ausgeschlossen, als wäre sie auf das Leben hier auf
Erden beschränkt. |
III, l, 17
princ
S. 527-529
Vorsehung Gottes;
Reinkarnation;
Entwicklung im Diesseits und Jenseits
Bedenke nun, ob wir nicht — außer kritischer Prüfung — in
besonderer Weise auch die Bewahrung frommer Ehrfurcht
gegenüber „Gott und seinem Gesalbten" (vgl. PS. 2,2)
erstreben, wenn wir versuchen, angesichts von Problemen von
solcher Größe und Art in jeder Weise die vielfältige
Vorsehung Gottes zu verteidigen, die er für die unsterbliche
Seele übt.
Anmerkung 62 bei Görgemanns/Karpp ergänzt: Rufinus setzt
hinzu: „Denn die Vorsehung für den Menschen beschränkt sich
nicht auf das Leben in dieser Welt, sondern für einen
künftigen Zustand gibt jeweils der vorherige Stand der
Verdienste den Grund ab, und so wird die unsterbliche Seele
durch die unsterbliche und ewige Gerechtigkeitspflege der
göttlichen Vorsehung zur höchsten Vollendung geführt." |
III, 1,20-23
princ
S. 543-555
Willensfreiheit;
Die Bedingungen der Geburt sind
selbstverursacht;
Entwicklungsmöglichkeiten vom Guten zum
Schlechten und umgekehrt;
Lebensperioden im Sinne von
mehreren Leben
Durch unser Sein als Lebewesen haben wir die Fähigkeit uns
zu bewegen, also etwa bestimmte Glieder zu bewegen, die
Hände oder die Füße; aber man könnte doch vernünftigerweise
nicht sagen, dass wir von Gott das Bestimmte, Spezielle
haben: die Bewegung zum Schlagen, zum Töten oder zum
Wegnehmen fremden Eigentums; sondern wir haben das
Allgemeine, die Bewegung, von Gott erhalten, und wir selbst
gebrauchen diese Bewegung zum Schlechten oder zum Guten.
Ebenso haben wir von Gott, sofern wir Lebewesen sind, das
Vollenden erhalten und auch das Wollen vom Schöpfer
bekommen, aber wir selbst gebrauchen das Wollen entweder zum
Besten oder zum Gegen teil, und ebenso das Vollenden.. . .
Es steht ein und demselben Apostel doch nicht an, einen
Sünder als tadelnswert zu schelten und einen Wohltäter als
lobenswert anzuerkennen, auf der anderen Seite aber so, als
ob nichts in unserer Gewalt stünde, zu sagen, dass der
Schöpfer Ursache dafür sei, dass das eine Gefäß zur Ehre, das
andere zur Unehre ist. Sodann heißt es (2 Kor. 5, 10): „Wir
müssen alle vor den Richterstuhl Christi treten, auf daß ein
jeglicher empfange, nach dem er gehandelt hat bei
Leibesleben, es sei gut oder böse." Wie kann das vernünftig
sein, wenn die, die Böses getan haben, zu solchen Taten
deshalb gelangt sind, weil sie als „Gefäße der Unehre"
geschaffen sind, und die, die in Tugend lebten, das Gute
deshalb getan haben, weil sie von Anfang her dazu die
Veranlagung erhalten haben und „Gefäße der Ehre" geworden
sind?. . .
22. Wenn wir aber einmal dem Gedanken Raum geben, dass es
gewisse voraufgehende Ursachen für das „Gefäß der Ehre" und
das „Gefäß der Unehre" gibt, ist es dann abwegig, auf die
Seelenlehre zurückzugreifen und daran zu denken, dass es
voraufgehende Ursachen dafür gab, dass Jakob geliebt und Esau
gehasst war, bevor noch Jakob einen Körper annahm und bevor
noch Esau in den Schoß Rebekkas einging (vgl. Gen. 25,25-26;
Mal. 1,2—3; Rom. 9,13) Gleichzeitig erweist sich ganz klar,
sofern es um die zugrundeliegende Substanz geht, dass ebenso
wie der Töpfer einen einzigen Ton als Grundstoff hat und aus
diesem „Klumpen" Gefäße „zur Ehre und zur Unehre" entstehen,
so auch Gott eine einzige allgemeine Seelensubstanz als
Grundstoff hat, dass sozusagen ein einziger „Klumpen" von
Vernunftwesen vorhanden war und dann gewisse voraufgehende
Ursachen bewirkten, dass die einen „zur Ehre", die anderen
„zur Unehre" waren.. . .
23. Zu denen aber, die die (verschiedenen) menschlichen
Naturen einfuhren und (dabei) das (angeführte) Zitat
benutzen, ist folgendes zu sagen. Wenn sie an der Aussage
festhalten wollen, dass „aus einem Klumpen" die Verlorenen
wie die Geretteten entstehen, und dass der Schöpfer der
Geretteten auch der Schöpfer der Verlorenen ist, und wenn
der, der nicht nur die geistigen, sondern auch die irdischen
Menschen schafft, gut ist - denn das ist eine Konsequenz
ihrer Voraussetzungen -, so ist es doch möglich, dass jemand
infolge irgendwelcher früherer sittlicher Leistungen jetzt
ein Gefäß der Ehre wird, und dann, wenn er nicht tut, was
einem Gefäß der Ehre entspricht und angemessen ist, für eine
andere Lebensperiode ein Gefäß der Unehre wird.
Ebenso ist
es umgekehrt möglich, dass jemand aus Gründen, die vor diesem
Leben liegen, hier ein Gefäß der Unehre wird, aber sich
bessert und in der „neuen Schöpfung" (vgl. Gal. 6, 15) ein
„Gefäß der Ehre" wird, „geheiligt und dem Herrn bräuchlich
und zu allem guten Werk bereitet."
....
Daher halte ich es auch für möglich, dass einige Menschen,
die mit kleinen Sünden begonnen haben, falls sie sich nicht
zum Besseren bekehren und ihre Sünden durch Buße tilgen
wollen, in der Schlechtigkeit so weit kommen, dass sie sogar
zu feindlichen Mächten werden, und dass umgekehrt aus den
feindlichen und entgegengesetzten Mächten einige im Verlaufe
langer Zeit Heilung für ihre Wunden und Zügelung der
überhandnehmenden Sünden suchen, so dass sie die Stelle der
Besten einnehmen. Schon öfter haben wir gesagt,
dass in den
unbegrenzten, unendlichen Zeiträumen, in denen die Seele
existiert und lebt, einige von ihnen so zum Schlechteren
herabsinken, dass sie den untersten Platz der Bosheit
einnehmen, und einige solche Fortschritte machen, dass sie
von der tiefsten Stufe der Bosheit zur vollkommenen und
vollendeten Tugend gelangen.
|
III, 3, 5
princ
S. 599-600
Willensfreiheit
sowohl als Mensch und als geistiges Wesen
Präexistenz,
Leid infolge vorgeburtlichen Fehlverhaltens
Gottes Vorsehung ist gerecht
Anschließend ist, meine ich, auch dies zu
untersuchen, aus welchen Gründen die menschliche Seele
manchmal von guten, manchmal von bösen (Kräften) beeinflußt
wird. Dafür, so vermute ich, gibt es gewisse Gründe, die
noch vor unserer leiblichen Geburt liegen......
...... Angesichts all dieser Fälle kann
man, scheint mir, wenn man überzeugt ist, daß alles in
dieser Welt von Gottes Vorsehung geleitet wird, wie es auch
unser Glaube sagt, nur eine Erklärung geben, die die
göttliche Vorsehung von jeglichem Vorwurf der
Ungerechtigkeit freihält: nämlich, daß man bei ihnen gewisse
frühere Ursachen annimmt; die Seelen hätten, bevor sie im
Körper geboren wurden, irgendeine Schuld auf sich geladen in
ihrem Denken oder in ihren Bewegungen, und dafür seien sie
von der göttlichen Vorsehung zu Recht verurteilt worden,
dies zu leiden. Denn
die Seele ist immer freien Willens, sowohl wenn sie in
diesem Körper ist, als auch wenn sie außerhalb des Körpers
ist; und der freie Wille hat immer eine Bewegung zum
Guten oder Schlechten, und ein Vernunftwesen, sei es eine
Intelligenz oder eine Seele, kann nie ohne eine gute oder
schlechte Bewegung sein. Dann leuchtet es ein, daß diese
Bewegungen die Gründe abgeben für Verdienste, noch bevor
(die Vernunftwesen) irgendwelche Handlungen in dieser Welt
ausführen; und auf Grund dieser Verdienste werden sie durch
die göttliche Vorsehung gleich von Geburt an, ja sozusagen
schon vor der Geburt, guten oder bösen Geschicken
unterworfen. |
III,6,5
princ.659
Reinkarnation
So meinen die Törichten und die Ungläubigen, unser
Fleisch verginge nach dem Tode in der Weise, dass nichts von
seiner Substanz übrigbleibe; wir aber, die wir an seine
Auferstehung glauben, erkennen, dass im Tod nur eine
Umwandlung geschieht, seine Substanz aber, das steht fest,
bleibt und wird
durch den Willen seines Schöpfers zu einer bestimmten Zeit
wieder ins Leben gerufen, und dann geschieht eine
neue Umwandlung.
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IX, 3, 9-10
princ
S. 757-761Diesseits/Jenseits
9.Wie es ein himmlisches Jerusalem und Judäa gibt und
zweifellos ein Volk mit Namen Israel, welches darin wohnt,
so könnte es auch einige ihnen benachbarte Räume geben, die
offenbar Ägypten, Babylon, Tyrus oder Sidon genannt werden
und deren Fürsten und Seelen, die möglicherweise dort
wohnen, Ägypter, Babylonier, Tyrier und Sidonier genannt
werden. Demgemäß könnte wohl auch auf Grund ihres dortigen
Verhaltens eine Art Gefangenschaft eingetreten sein, durch
die sie, wie es heißt, von Judäa nach Babylonien oder aus
besseren, höheren Stätten nach Ägypten hinabgezogen sind
oder sich unter jeweils andere Völker zerstreut haben.
10. Wenn die, welche hier auf Erden des allgemeinen Todes
sterben, zum Aufenthalt an der Stätte verurteilt wurden, die
„Hades" genannt wird, bekommen sie auf Grund ihrer irdischen
Taten je nach dem Maß ihrer Sünden verschiedene Orte
angewiesen. So steigen vielleicht auch die, wenn man so
sagen darf, dort Sterbenden in diesen „Hades" hier herab,
wenn das Urteil lautet, dass sie (den Aufenthalt in) den
verschiedenen, teils besseren, teils schlechteren
Behausungen in dieser ganzen irdischen Stätte und bei
solchen oder solchen Eltern verdient haben. Folglich kann
einmal ein Israelit unter die Skythen fallen und ein Ägypter
nach Judäa hinabgelangen. |
IV, 4, 8
princ
S. 813
Periodische Entstehung von Körpern,
Reinkarnation
Dieses (körperliche Sein) muss so lange bestehen bleiben,
wie das besteht, was seiner zur Bekleidung bedarf. Nun
werden aber immer vernünftige Wesen da sein, die einer
körperlichen Bekleidung bedürfen. Folglich wird auch immer
ein körperliches Sein bestehen, das die vernünftigen
Geschöpfe zu ihrer Bekleidung benutzen müssen.
Falls aber jemand nachweisen kann, dass das unkörperliche,
vernünftige Wesen, wenn es sich des Körpers entledigt hat,
für sich allein lebt und sich schlechter befand, als es mit
den Körpern bekleidet war, sich dagegen besser befindet,
wenn es sie ablegt, dann folgt daraus zwingend, dass das
körperliche Sein nicht ursprünglich ist, sondern in
zeitlichen Abständen ins Dasein tritt wegen gewisser
Zwischenfälle bei den Vernunftwesen, die (dann) der Körper
bedürfen, und dass diese Körper sich wieder ins Nichtsein
auflösen, wenn die Besserung (der Vernunftwesen) vollendet
ist; und dies geschieht immerfort.
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