Von den frühesten Anfängen an traten im Christentum immer wieder Strömungen auf,
die sich nicht mit der überlieferten Lehre Jesu vereinbaren ließen. Teils entstanden sie
in den christlichen Gemeinden selbst, teils stellten sie Vermischungen der christlichen
Lehre mit anderen Religionssystemen oder Philosophien dar. So berichtet schon die
Geschichte des frühen Christentums von Häresien oder Ketzereien; darunter fällt alles,
was der offiziellen Lehrmeinung zuwiderläuft.
Die Auseinandersetzung mit den
verschiedenen "Irrlehren" zwang die Kirche, ihre Glaubenssätze klar zu formulieren, um sie
gegen abweichende Meinungen abzugrenzen. Als Folge da von kam es oftmals zu Streitigkeiten
innerhalb der Kirche, von denen manche nur für einen bestimmten Zeitraum von Bedeutung
waren, manche aber auch einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des gesamten
Christentums ausübten.
Die hauptsächlichen Streitigkeiten der
ersten Jahrhunderte nach Christi Wirken entstanden aus der Frage nach dem Bringer der
christlichen Botschaft. Von Anfang an galt Jesus den Christen als der Sohn Gottes; sie
beteten ihn als Herrn (Kyrios) an. Die Taufe wurde, seinem Auftrag gemäß, im Namen des
Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes vollzogen. Lag in dieser Dreiheit nicht ein
Widerspruch zu dem strengen Monotheismus, der dem Judentum wie dem Christentum als
unumstößlicher Glaubensinhalt galt? Besondere Bedeutung gewann diese Frage im 2.
Jahrhundert, als die Kirche zu den Häresien der Judaisten und der Gnostiker Stellung
nehmen musste:
a) Die Judaisten waren Judenchristen, die
starr am mosaischen Gesetz festhielten. Jesus erkannten sie nicht als Sohn Gottes an; er
war für sie nur ein besonderer Mensch. Gemäßigte Gruppen unter ihnen hielten lediglich
eine wunderbare Geburt (aus der Jungfrau und dem Heiligen Geiste) für möglich. Schon im
1.Jahrhundert hatte sich ein Teil der strengeren Judenchristen von der Kirche getrennt.
Die in der Kirche verbleibenden
Judenchristen hatten sich bis zum Ende des 2. Jahrhunderts in verschiedene Richtungen
aufgespalten.
b) Die gnostische Lehre gab es schon in der vorchristlichen
Zeit; sie vereinigte in sich hellenistische und orientalische Strömungen (Gnosis —
Erkenntnis). Bereits im 1. Jahrhundert traten Vermischungen von Gnostizismus und
Christentum auf, die im 2.Jahrhundert noch größere Verbreitung erfuhren. Eine
Nachwirkung zu Anfang des 3. Jahrhunderts stellt der Manichäismus, die persische Gnosis,
dar.
Innerhalb des Gnostizismus waren
verschiedene Lehren vertreten. Sie versprachen höhere Erkenntnis, als der christliche
Glaube allein sie bieten könne. Außerdem enthielten sie die Idee des Dualismus,
gleichbedeutend mit einem Gegensatz Gott—Materie; letztere wurden entweder als Chaos
bezeichnet oder als Prinzip des Bösen schlechthin.
Über die Menschwerdung Jesu gibt es im
Gnostizismus zwei Ansichten: Entweder kommt der Erlöser in einem Scheinleib auf die Erde,
der also nicht unserem menschlichen Körper entspricht, oder:
Christus, der Logos, verbindet sich erst
bei der Taufe mit dem Menschen Jesus und verbleibt dort bis zu seinem Leiden.
Die Kirche musste nun eine Antwort darauf
finden, wie sich die Gottheit des Sohnes mit der Einheit Gottes vereinbaren lasse.
Einige Kirchenschriftsteller des
ausgehenden 2. und des 3. Jahrhunderts (Justinus aus Samaria; Theophilus von Antiochien;
Tertullian; Hippolyt; Origenes) knüpften dabei an die Ausführungen des Juden Philo von
Alexandria (25v. Chr. bis 39 n. Chr.) an, die folgende Erklärung bieten:
"Der göttliche Logos ist die höchste
Vernunft, die teils als bloße unpersönliche, im göttlichen Wesen beschlossene
Eigenschaft betrachtet wird (Lagos endiathetos), teils aber auch und vorzugsweise als
durch das göttliche Sprechen aus dem Schoße der Gottheit heraustretend und sofort in
persönlicher Verschiedenheit von Gott für sich bestehend erscheint (Logos porphonkos).
Er ist die vollendetste Offenbarung Gottes, der Inbegriff aller göttlichen Kräfte und
Kundgebungen, Vermittler zwischen Gott und Welt, Abbild des Vaters, Sohn Gottes, der
zweite Gott, Erzengel, Weisheit."‘
Daraus ergaben sich nun weitere
Überlegungen: Wenn der Lagos erst bei der Erschaffung der Welt durch einen Willensakt des
Vaters zur Person geworden ist, so muss der Sohn dem Vater untergeordnet sein. So entstand
die Idee des Subordinanianismus. Vorläufig war dadurch weder der Glaube an die
Gottheit des Sohnes noch an die Einheit Gottes gefährdet.
Ende des 2.Jahrhunderts und im
3.Jahrhundert gewann eine Gruppe von Christen Einfluss, die vor allem die Einheit Gottes
in den Vordergrund stellten und alles bekämpften, was dieser Einheit zu widersprechen
schien. Sie nannten sich Monarchianer (monarchia = Einheit). Eine einheitliche
Lehre besaßen sie nicht; einige von ihnen hielten Jesus für einen begnadeten Menschen,
durch den Kraft und Weisheit Gottes auf besondere Weise wirkten (in abgeschwächtem Maße
sei dies auch bei Moses und den Propheten der Fall gewesen); andere waren zwar von der
Gottheit Jesu überzeugt, meinten aber, es sei der Vater gewesen, der auf die Erde
gekommen sei; sie erklärten dies mit den verschiedenen Offenbarungsweisen (modi), die dem
Vater zu eigen seien.
Anfang des 3. Jahrhunderts bekam eine
Richtung innerhalb des Monarchianismus besondere Bedeutung, der Sabellianismus, der
erstmals den Heiligen Geist in die Überlegungen mit einbezog. Sabellius aus Libyen
lehrte, es gebe nur eine göttliche Person; diese habe drei Wirkungsarten, die er
mit Prosopa bezeichnete. Prosopa kann heißen: Schauspieler-Rolle oder Schauspieler-Maske,
aber auch Person — dadurch entstand eine gewisse Verwirrung über den eigentlichen
Inhalt seiner Lehre. Sabellius verglich die drei Wirkungsmöglichkeiten Gottes mit
Körper, Seele und Geist beim Menschen. Gott wirke als Vater in der Gesetzgebung, als Sohn
in der Menschwerdung, als Heiliger Geist in der Heiligung. Sohn und Heiliger Geist
könnten sich nach Erfüllung ihrer Aufgaben wieder im Vater auflösen.
Da einige Gruppen der Monarchianer die Trinität leugneten
und andere Gruppen nicht an die Gottheit des Sohnes glaubten, wurden sie auf mehreren
Synoden insgesamt aus der Kirche ausgeschlossen. Als einer ihrer Gegner auf den Synoden
trat u. a. Origenes auf, der entschieden die Trennung Gott Vater - Gott Sohn - Gott
Heiliger Geist lehrte.
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