Friedrich Funcke
Christentum als Weltanschauung und Lebenskunst



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Buchbesprechung des Verlegers Martin Weber
[Anm.d.Erf.: Die folgende Rezension des Buches Friedrich Funcke: "Christentum als Weltanschauung und Lebenskunst" erschien in der Zeitschrift 'Wegbegleiter' vom November 1996, Nr. 6, I. Jahrgang, S. 285 ff. Anmerkungen des Erfassers stehen in [ ]-Klammern.]

Vorneweg: Das Buch ist im freien Handel nicht mehr erhältlich. Das überrascht deshalb, weil Funcke als einer der wenigen gelten darf, denen es gelang, das überaus weite und reiche Feld des Christentums und der damit verbundenen Lebensrichtung auf wenigen Seiten übersichtlich und gleichzeitig recht leicht verständlich darzustellen. Dazu wählte er die Form des Romans, der aber als Rahmenhandlung nur der Erläuterung wesentlicher Grundzüge des Christentums, wie er es versteht, dient.
Während einer Schiffsreise begegnen sich alte Jugendfreunde und erzählen sich ihr bisheriges Leben. Der eine ist Ingenieur und auf Geschäftsreise, der andere ein ehemaliger Pfarrer. Schon nach wenigen Seiten ist der Leser eingefangen von der Geschichte, denn diese erscheint so wahr und echt, als wäre sie gestern im eigenen Bekanntenkreis passiert. Dabei sind die Rollen klar verteilt: Der Ingenieur als einer, der sich selbst im Weltlichen aufhält und "nur das glaubt, was er sieht", jedoch zugeben muss, dass er keineswegs glücklich ist, da er die beiden grossen Menschheitsrätsel, nämlich das Leid und das Böse, nicht erklären kann. Deshalb stellt er im Verlaufe der Reise all die Fragen, die wir uns selbst wohl irgendwann einmal stellten, bzw. die noch verborgen in uns ruhen. Der Leser jedenfalls ist in der Tat gespannt, wie wohl der Pfarrer auf die jeweiligen Fragen des Ingenieurs und dessen Frau und Tochter, die mit an Bord sind, antworten wird, denn es sind entscheidende, schwierige Fragen wie beispielsweise nach dem Daseinszweck eines Krüppels oder geistig Behinderten.
Das Buch liest sich angenehm leicht und ist eine sehr gute Zusammenstellung wichtiger Lebensfragen besonders für diejenigen Menschen, denen das lange Nachdenken und die Wissenschaftlichkeit vieler Werke zu schwer ist. Und trotzdem können auch eingefleischte Geister noch ihren Horizont erweitern, und sei es nur durch Aneignung der vielen lesenswerten Analogien, mit denen Funcke auch kniffligste Fragen einleuchtend beantwortet.
Funcke spricht die Sprache seiner Zeit, und dies erklärt einige eher erheiternde Passagen, die z. B. die Stellung der Frau in der damaligen Zeit betreffen. Wenn man sich vor Augen führt, welchen Kampf die Geistforscher um die Jahrhundertwende [19./20.Jhrd.] gegen Kirchen, Universitäten und Medizin führen mussten, dann kann man auch die Abschnitte nachvollziehen, in denen mit schärfster Präzision seinerzeitige Missstände offengelegt werden. Dabei bemüht Funcke keine seitenlangen und detailreichen Argumentationsketten, sondern er benutzt für die einfachen Wahrheiten ebenso einfache Begriffe und fasst manchen komplexen Sachverhalt in ein oder zwei Sätze. Sein Anliegen ist durchweg keine Anklage oder Jammerei; vielmehr breitet er seine eigenen Erkenntnisse wie einzelne Puzzlestücke vor dem Leser aus und fordert diesen bereits im Vorwort zu selbständigem Zusammensetzen und eigenständiger Prüfung des Gesagten auf. So sagt der Pfarrer auf Seite 50: "Die Bausteine, also Tatsachen und Erkenntnisse, kann ich Dir geben, bauen musst Du selbst." Jedoch muss derjenige, der das Buch mit Gewinn lesen will, die innere Bereitschaft und Offenheit dafür mitbringen und vorurteilsfrei sein, denn "man kann nicht allen Menschen alles beweisen oder begründen. Wer auf eine bestimmte Geistesrichtung eingestellt ist, wer sich nicht freimachen kann von Vorurteilen und fremden Meinungen, wer nicht logisch zu denken vermag, wer gar Ehre, Amt und materielle Vorteile von gewissen Anschauungen hat, an dem pflegen Gründe und Beweise abzuprallen." Und an anderer Stelle: "Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstossen und es klingt hohl: muss da die Schuld immer an dem Buch liegen?"
Funckes Buch gehört wohl in das Bücherregal eines jeden Wahrheitssuchers. Geschrieben ist es in der früher oft benutzten altdeutschen Schrift, was bei langweiligen "Schinken" eher abschreckt. Hier jedoch verleiht es dem Buch einen Hauch von den "guten, alten Zeiten", denn am Ende fühlt sich der Leser getragen von der allgütigen Liebe, geborgen im mächtigen Weltenplan Gottes, und er erkennt, dass kein Leben nutzlos ist, alles seinen Zweck hat und vieles lediglich unserem fehlbaren menschlichen Verständnis unklar bleibt.
Ein Glück, dass Freund Passian uns diesen Schatz vor dem Einstampfer bewahrte. Für Interessierte bietet sich das Buch besonders als Weihnachtsgeschenk an: leichte Kost auf hohem Niveau.

Martin Weber